Matthias Heitmann  Klartext

„Keine Fahrt für nieMANNden?“ (11/1997)

Machos, behaltet Eure Führerscheine!



Ein knappes Jahr vor den 1998er-Bundestagswahlen bekommen wir langsam einen ersten Vorgeschmack davon, was wir uns von einer rot-grünen Bundesregierung zu versprechen hätten - auszuschließen ist ja bekanntlich nichts. Auf dem steinigen Weg zur Regierungsbank proben sich die Oppositionsparteien schon heuer in staatsmännischer Entschlossenheit. Dazu gehört natürlich auch, die wichtigen Themen wie „innere Sicherheit“ nicht den Konservativen zu überlassen, sondern statt dessen, rot-grün eingefärbt, die eigenen Fahnen damit zu schmücken. Welch schrille Farbenpracht sich bei solchen Manövern so entfalten kann, offenbart derzeit die SPD: Sie will allen Kleinkriminellen den Führerscheins entziehen und sie so zur Räson bringen. Dieser Gesetzentwurf soll das rot-grüne Profil in Sachen Kriminalitätsprävention deutlich machen. Tatsächlich vereint dieser Vorschlag nahezu alle in rot-grünen Kreisen verbreiteten Vorurteile und ökologisch korrekt verbrämten Attacken auf die „mobilitätsgeile und unbelehrbare Wohlstandsgesellschaft“. Nachdem bereits seit Jahren in öko-ängstlichen Zirkeln hinter dem Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ das Startsignal der rechtsradikalen und faschistischen Weltrevolution vermutet wird, soll nun mittels des begrünten Strafrechts der abfahrende Geschwindigkeitsmacho endgültig einer Umerziehungstherapie unterzogen werden.


Wo sonst als in der Wochenzeitschrift Die Woche, die seit längerem schon als inoffizielles Organ des Regierungswechsels geradezu alles abdruckt, was entweder grün heißt oder nach Schröder riecht, wurde die Forderung „Fahrverbot als Allzweckstrafe!“ in den Rang einer Schlagzeile erhoben: „Wer klaut, muß laufen“. Gefängnisstrafen sind sowieso zu teuer, Bußgelder dagegen zu niedrig, warum also nicht zu Strafen greifen, die nützlich und billig sind? Dass Herta Däubler-Gmelin, die stellvertretende SPD-Vorsitzende, am Ende eines langen Arbeitstages in Bonn auf dem bequemen Rücksitz ihrer Luxuskarosse auf derartige Ideen kommt, leuchtet ein. Denn schließlich, so wissen wir ja alle, und Däubler-Gmelin sagt es offen, „des Täters liebstes Spielzeug ist das Auto“. Was liegt also näher, als Ungehorsam mit Spielverbot zu ahnden? Wer denn die „Täter“ sind, ist der Politikerin auch nicht unbekannt: „Machos, Rowdys und Gewalttäter, meist junge Männer mit Führerschein und Auto“ (Die Woche, 19.9.97). Noch Fragen?


Und wie für jeden neuen Vorschlag, fand Die Woche auch für diesen sofort „Experten“ die es schon immer gewusst haben. Ein Horst Opaschowski wies in seiner schwergewichtigen Funktion als „Freizeitforscher“ daraufhin, daß der Führerscheinentzug als „Freizeitstrafe“ das Ego junger Menschen mehr träfe als eine kurzfristige Gefängnishaft. Die Verkehrspsychologin Angelika Schildmeier aus Hamburg verglich das Fahrverbot in seiner Strafintensität und seinen Auswirkungen auf maskuline Sünder gar mit dem „Verlust von Männlichkeit“. Ganz toll an dem Vorschlag fand sie zudem, daß er „für diese Menschen entwürdigend, entehrend und diskriminierend“ sei.


Bei verantwortungsbewusster Anwendung der neuen Strafe lassen sich geradezu alle Probleme, unter denen die Gesellschaft heute leidet, mit einem Schlag lösen: Da sind zum einen die verstopften deutschen Straßen. Das grüne Strafrecht könnte zu einer Waffe gegen Gewohnheitsfahrer und chronische Stau-Fanatiker geschmiedet werden. Erkannt hat dies die taz-Kommentatorin Anita Kugler, die angesichts der Tatsache, dass jeder zweite Deutsche mindestens einmal pro Jahr das Gesetz missachtet, die „Vorstellung von zukünftig autofreien Straßen (...) durchaus faszinierend“ findet (taz, 19.9.97, S.10). Mit anderen Worten: Deutschland läuft - oder fährt U-Bahn, was wiederum den Kommunen und dem ÖPNV-Säckel zu gute käme. Die überflüssig werdenden Verkehrspolizisten könnten nach und nach zur Verbrechensbekämpfung herangezogen werden, etwa zur Fahrkartenkontrolle in besagten U-Bahnen oder etwa zum Asylantenbeseitigen oder Kinderschützen in deutschen Innenstädten und Kinderzimmern.


Zudem könnte ein kollektives Fahrverbot dazu beitragen, den Mythos vom „Waldsterben“ endlich dahin zu bringen, wo er hingehört: auf den Autofriedhof der Geschichte.


Aber auch andere Missstände könnten behoben werden. Stichwort „Verlust von Männlichkeit“: Einmal ihrer verlustig geworden, hilft auch die größte Garage nicht weiter. Und daß frau eines Tages per Gesetz gegen Machos und Chauvis vorgehen kann, hätten Jutta Dittfurth und Alice Schwarzer sich wohl niemals träumen lassen.


Auf den Punkt gebracht: Deutsche Männer = Autofahrer = Kriminelle = Täter = Erziehungsbedürftige. Wer der neuen grünen Religion die Vorfahrt nimmt, kommt ins ökologische Umerziehungslager Deutschland. Einen einzigen Haken hat die ganze Geschichte jedoch: Die „A.A.R.“ (Aktion Autofreie Republik) muß von Millionen von „Tätern und Rowdys“ an die Macht gewählt werden. Das dies eventuell misslingen könnte, befürchtet die bereits genannte Hamburger Verkehrspsychologin: „Viele würden lieber auf ihr Wahlrecht verzichten als auf ihren Führerschein.“ Angesichts des Wahlangebots kann mann und frau nur hoffen, dass sie recht behält.



Novo31, November/Dezember 1997