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Matthias Heitmann  Klartext

Jugendliche pfeifen auf Klimaschutz

Die Öko-Indoktrination hat Grenzen – eine ist offensichtlich (noch) das Schultor. Tilly Line von der University of the West of England stellte in einer Ende 2008 präsentierten Studie über den Zusammenhang von Umweltbewusstsein und Transportmittelwahl bei Schülern zwischen 11 und 18 Jahren fest, dass diese trotz ihres Wissens über den Klimawandel selbst lieber das Auto als öffentliche Verkehrsmittel benutzen würden. „Jugendlichen“, so ließ Line verlautbaren, „sind bei der Wahl des Transportmittels Werte wie Identität, Selbstbild und soziale Anerkennung viel wichtiger als die Umwelt.“ Der Führerschein gilt ihnen als „Meilenstein des Lebens“. Zudem sind sie mehrheitlich der Ansicht, dass sie als Einzelpersonen gegen den Klimawandel ohnehin nichts unternehmen könnten. („Statussymbol Auto: Jugend pfeift auf Klimaschutz“, 5.12.08, pressetext.de) Dass Kinder und Jugendliche Autofahren als Meilenstein erachten, ist so wenig neu wie überraschend. Und es ist auch alles andere als schlecht: Grundsätzlich gibt es zwar auch andere Veränderungen, die das Erwachsensein mit sich bringt, doch kaum einer hat eine so immense Vergrößerung des persönlichen Freiraums zur Folge wie das selbstständige Autofahren. Es ist gut, dass Jugendliche diesen Freiheitsdrang verspüren und sich diesen auch durch fortgesetzte „Umweltbildung“ nicht vermiesen lassen. Wie lange sie sich allerdings noch dieses moralischen Drucks erwehren können, bleibt abzuwarten. Schon werden Forderungen laut, den Klimawandel in den Schulen zu einem fächerübergreifenden Megathema zu machen. Und natürlich wird in diesem Zusammenhang auch gleich der Schulunterricht an und für sich problematisiert. Um einen Bewusstseinswandel zu erreichen, sei die vorherrschende Form des Frontalunterrichts, so die Umweltpädagogin Barbara Höller vom österreichischen Forum Umweltbildung, schlecht geeignet. „Bildung für nachhaltige Entwicklung muss die Schüler aktivieren und Selbsttätigkeit erlauben.“ Es ist schon interessant, dass der Drang von Jugendlichen nach Mobilität und „Selbsttätigkeit“ nach Ansicht von Umweltpädagogen erst gebrochen werden muss, um ihn dann durch ökologisch akzeptable „Selbsttätigkeit“ zu ersetzen. Man kann nur hoffen, dass die Schulen nicht alle ihre gerne als „verkrustet und veraltet“ diffamierten Strukturen und Grundsätze über Bord werden und sich ihrer Umwandlung von Wissens- in Gewissensschulen entgegenstellen – damit Kinder nicht nur Kinder sein, sondern auch erwachsen werden können.



Erschienen in Novo99 (3-4 2009), www.novo-argumente.com