Matthias Heitmann  Klartext

M – Millenium-TV

O-Ooh-Teletubbies vs. Ernie/Bert-Schwuchtel-WG


Deutsche Eltern können nun aufatmen. Seitdem die Teletubbies durch den Kinderkanal tappen, hat Kinderfernsehen eine neue pädagogische Qualität erreicht. Diese wurde nun sogar wissenschaftlich nachgewiesen: Eine Untersuchung, die im Auftrag des Kinderkanals durchgeführt wurde, hat ergeben, dass die „Teletubbies“ positiven Einfluss auf kleine Fernsehzuschauer haben. Sie gelten als „leicht zu verarbeiten“, bieten „Anregungen zum Mitmachen“ und werden zu „positiven Identifikationsfiguren“ (Winke-Winke) für die lieben Kleinen.


Vorbei sind die Zeiten, als Mami, allzeit bereit und mit Fernbedienung bewaffnet, mit Argusaugen die Sesamstraße mit ansehen musste in der Befürchtung, das Krümelmonster könnte wieder auf die Idee kommen, der kleinen Susi die Kekse zu stehlen und sich rüpelhaft vor laufenden Kameras entsetzlich daneben zu benehmen. Oder der furcheinflössende Graf Zahl könnte plötzlich auf dem Schirm erscheinen und mit Donnerschlägen und schaurigem Lachen mit seinen Opfern abrechnen. Ganz zu schweigen vom wertzersetzende Einfluss der pfui-schwulen Männer-WG des findigen Ernie und des trottel-treu-unterdrückten Bert, die über Jahrzehnte hinweg unabänderlich alte, sado-masochistische Dominanzverhältnisse propagierten und Mami immer wieder mit der peinlichsten aller Fragen konfrontierten: „Warum schlafen die beiden Schnösel in einem Zimmer, so wie Du und Papi?“. All diese Facetten der stilisierten, amerikanischen Schwarzenghetto-Dreckskultur, in der ihgitt-zottelige Monster in bäh-schmutzigen Mülltonnen hausen und Ungeheuer mit gewaltverniedlichenden Namen wie „Grobi“ Generationen von Kindern traumatisierten, sich prügelten und gegenseitig reinlegten, hat nun ein zeitgemäßes Substitut bekommen.


Die Teletubbies leben nämlich in einer schönen und aufgeräumten neuen Welt: Sie tollen durch eine blühende Wiese unter einem stahlend blauen Himmel, sogar die symmetrischen Bäume sind gesund und haben ein freundliches Gesicht. Nichts trübt die Idylle. Die beiden Diplom-Heilpädagoginnen Claudia Höller und Sabine Müller haben herausgefunden, dass die Teletubbies eine entspannende Wirkung auf Kinder haben, und was ganz wichtig ist: Sie zeigen „ein fröhliches und aufeinander bezogenes Miteinander“. Wo gibt es so etwas heute schon noch?

Sogar das Sprachvermögen von Kindern soll durch das Anschauen der Teletubbies gefördert werden: Die Gestaltung der Sendung rege Kinder an „mitzusprechen, mitzusingen und Handlungen zu kommentieren, die Bewegungsimpulse unterstützen zusätzlich die Sprachentwicklung“. Oh oooh. „Rainman“ lässt grüßen.


Deutscher Medienforscher erwägen anlässlich des großen Erfolgs der Sendereihe, sie zukünftig auf allen Kanälen gleichzeitig und auch im Rahmen des Abendprogramms auszustrahlen, der beruhigenden und befriedenden Wirkung, sprich, der Kinder wegen. Für die einen sind sie der emotionale Airbag gegen aufwühlende, brutalisierende und fanatisierende Abendgestaltung, für die anderen das rettende Methadonprogramm gegen Horror-Abhängigkeit. Auch wird die Möglichkeit erwogen, als Nachfolgemodell des amerikanischen V-Chip, einem Computer-Chip, der bei Gewaltszenen automatisch den Bildschirm schwärzt, einen sogenannten „TT-Chip“ zu entwickeln, der über Sensoren am Gehäuse des Fernsehgerätes die Spannungslage im Wohnzimmer misst und automatisch „Oh oooh“-Sequenzen einspielt.


Na dann „Winke Winke“.


(Novo44, Januar 2000)