Matthias Heitmann  Klartext

P – Politisch korrrrekt, Aldä!

- Slatko – Chef-Spaßideologe??


Also, ich sachs ma so, liebe Schönwetterzelter und Pfarrerstöchter: Dunkle Zeiten brechen an. Da drischt plötzlich jeder mit Schimpfworten auf einfühlsame Menschen ein und amüsiert sich zu Tode. Man kann sich bemühen, wie man will, sofort wird einem ein neuer Stempel aufgedrückt: Wenn man versucht, ernsthaft mit Frauen weiblichen Geschlechts ins Gespräch zukommen, gilt man gleich abwertend als „Frauenversteher“ und „Verständniszeiger“ und ist Anlass für Gespött. Jahrzehntelang wurde uns gepredigt, „Mülltrenner“ und „Joghurtbecherspüler“ seien die besten Menschen wo gibt, heute gelten sie stattdessen die größten Lachnummern.


Ein Stück weit ist das unbegreiflich. Ist das die Spaßgesellschaft, vor der uns alle Intellektuellen so besessen warnen? Ist das der vielbeschworene „Backlash“ gegen die politische Korrektheit der 90er?


Es scheint fast so, und das Szenario wird düsterer. Bis vor kurzem noch als Kriegsgegner gehasst, werden heute Balkanschwaben, wo Shakespeare für eine Biermarke halten, als Idole des neuen „Sladdismus“ gefeiert, ähnlich dem englischen „Laddism“. Deutschland fährt jedoch zusätzliche Geschütze auf: Fallschirmspringer gewinnen Landtagswahlen, Weichei-Worte und Kanak-Sprak werden in den Duden aufgenommen, Stefan Raab firmiert als Kulturgutträger der Nation und Unterhaching entscheidet die deutsche Fußballmeisterschaft. Und zu allem Überfluss findet dann auch noch die ÖkXPO ohne die Bundesantiatommafia Jürgen Trittins statt. Ein nationales Desaster jagt das nächste. Und was tun die Deutschen? Sie beeimern sich über „Schlimm?-Frager“ und „Draußen-Raucher“ und wollen zwar „den Jürgen sehen!“, meinen aber weder den Trittin noch den Möllemann. Was soll die Welt von uns denken? So werden wir wohl weder in den Sicherheitsrat einziehen noch die Weltmeisterschaft 2006 ausrichten können.


Auch dem Rest der Welt geht auf das „Spaß-statt-Denken-Deutschland“ bereits auf die Nerven, die Protestwelle hat globale Ausmaße angenommen: Auf Mallllocca machen die Ureinwohner mit Demos Front gegen deutsche Ballermänner, bei der Europameisterschaft in Be-Ne-ohne-Lux wollen uns alle schlagen, die Japaner nehmen sogar ihren Pavillon aus Pappe nach der EXPO wieder mit nach Hause, und die Amerikaner kommen gar nicht erst nach Hannover. Und die Deutschen? Sie amüsieren sich und gamblen mit ihren gekürzten Gehältern an der Börse.


Sind wir plötzlich tatsächlich nur noch eine Spaß- und Kaspernation? Sollten wir, die doch immer gewillt waren, die Last der Erde auf unseren Schultern zu tragen und uns dabei noch schuldig zu fühlen, plötzlich zu nichts mehr zu gebrauchen sein als zum Moorhuhnjagen, online-geldverdienen und -ausgeben?


Meiner Regierung ist dieses Übermaß an Lebensfreude auf jeden Fall suspekt. Zwar kann sie sich einige Fehltritte erlauben, aber der demütigen und staatstragenden Weltuntergangspanik- und Schlechtes-Gewissen-wegen-allem-Mentalität ist gute Volkslaune abträglich. Da kann mein Freund Joschka noch so viel joggen. Auch wenn er dabei lächelt. Aber ich bin sicher, ihm fällt bald etwas gegen die Spaßgesellschaft ein. Vielleicht eine Steuer.



(Novo47, Juli 2000)